Kunst im öffentlichen Raum

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Kunst im öffentlichen Raum aus urbanistischer Perspektive

Öffentliche Räume stehen unter Druck. Im Kontext einer neoliberalen Stadtentwicklungspolitik werden sie gewinnbringend kommerzialisiert, festivalisiert und privatisiert. Bahnhöfe, Straßen und Plätze werden als Teile eines Sicherheitstheaters verstärkt überwacht, demokratische Rechte wie das Versammlungsrecht werden regelmäßig eingeschränkt. Im Spannungsfeld von sozial ungleichen und diversifizierten Stadtgesellschaften fehlt in der neoliberalen Stadt eine Geografie der Öffentlichkeit, in der Unterschiede erfahren, Meinungen geäußert und Konflikte ausgetragen werden können. Auch Kunst im öffentlichen Raum wird in der Stadtentwicklung verwertet: Sie ist integraler Bestandteil von gewinnbringenden Projekten der Stadterneuerung und der Aufwertung von Stadtteilen, die vielfach in Gentrifizierung und damit in der Verdrängung ökonomisch schwächerer Bewohner_innen resultieren, statt deren Lebensbedingungen zu verbessern und zugleich die Quartiere in ihren sozialen Strukturen zu stärken.

Doch es regt sich Widerstand gegen die profitgeleitete Entwicklung öffentlicher Räume: Temporär eroberten politische Bewegungen (wie z. B. Indignados, Occupy Wall Street oder Gezi-Park) öffentliche Räume im Protest gegen neoliberale (Stadtentwicklungs-)Politik zurück. Langfristig entstand seit der Besetzung einer Baustelle im Jahr 2010 mit dem Plaza de la Cebada einer der belebtesten Räume sozialen und kulturellen Austauschs Madrids, der von den Bewohner_innen des Barrios in Vollversammlungen selbst verwaltet und gestaltet wird. In Kollaboration mit Künstler_innen, lokalen Initiativen und Stadtbewohner_innen entwickelte das Center for Urban Pedagogy (CUP) in New York mehrsprachige Broschüren, um Straßenverkäufer_innen über ihre Rechte in der Nutzung öffentlicher Räume aufzuklären. Die Urban School Ruhr, eine emanzipatorische Lernplattform an der Schnittstelle von Stadtforschung und künstlerischer Praxis, erkundet gemeinsam mit Stadtbewohner_innen Möglichkeiten einer kulturellen und sozialen Raumproduktion im Ruhrgebiet.

Als Gegenmodell zu wachstumsorientierten Stadtentwicklungsstrategien schaffen neue künstlerisch-urbanistische Praktiken so relationale Räume, die durch zwischenmenschliche Interaktionen und soziale Beziehungen im städtebaulich gestalteten Raum entstehen. Diese und viele andere Projekte zeigen, wie Kunst im öffentlichen Raum emanzipatorisch-performativ die Regeln und Normen des Zusammenlebens vielfältiger und ungleicher Stadtgesellschaften kritisch hinterfragt, in Unordnung bringt und Anstöße zur Neuordnung gibt. Kunst im öffentlichen Raum verräumlicht Öffentlichkeit und re-politisiert dadurch unser Verständnis öffentlicher Belange.

Referenzen

 

Elina Kränzle
TU Wien, Urbanismus

Essays