Das doppelte Kreuz
Michaela Christiane Wiegele, Alois Hechl-Kreuter
- Dauer
- temporär
- Vergabe
- Direktvergabe
- Jahr
- 2019
- Ort
- Klagenfurt am Wörthersee
Kunst im öffentlichen Raum
Anna Jermolaewa gestaltet die künstlerische Intervention des Mahler Forums für Musik und Gesellschaft 2023. Im Rahmen ihrer Installation Lampenfieber lädt Anna Jermolaewa Pamelia Stickney, eine der renommiertesten Thereminspielerinnen unserer Zeit, zur Zusammenarbeit beim Komponierhäuschen ein.
Ganz im Zeichen des Staunens als gemeinsames Erleben, Erkennen und Reflektieren führt Anna Jermolaewa am 8. Juli die Besucher*innen performativ vom Anfang des Fußwegs in Maiernigg durch den Wald bis zum Komponierhäuschen. Den Weg entlang agiert sie als „Interpreter“ und erzählt die erstaunliche Geschichte des Theremins und seines Erfinders Lew Sergejewitsch Termen, der sich später in den USA Leon Theremin nannte.
Anna Jermolaewa ist fasziniert von der konzeptionellen Schönheit der Entwicklung des Theremins und der komplexen Vita seines Erfinders. Das auch als Ätherophon bekannte Instrument ist das erste, das ohne Berührung gespielt wird. Mit seinen wundersamen Klängen, die wie aus einer anderen Welt zu stammen scheinen, verzaubert es seit seinen Anfängen in den 1920er-Jahren das Publikum.
Das Theremin gilt als Synthesizer-Wegbereiter und wurde auf der ganzen Welt gespielt, von Lenin bis zu Lou Reed. Es funktioniert nach dem Prinzip eines elektromagnetischen Abstandssensors: Die Positionierung und sanfte Bewegung der Hände innerhalb des elektrischen Feldes beeinflussen einen Oszillator. Dabei verschwimmen die einzelnen Noten zu einem wundersamen Gesamtklang, die sphärischen Töne scheinen irgendwo zwischen Geige und Gesang zu flimmern.
Die Geschichte des Theremins und seines russischen Erfinders ist ebenso erstaunlich wie abwegig. Sie führt von Erfindergeist zu musikalischem Welterfolg, von staunendem Publikum und Society-Liebling zur verstörenden Weiterentwicklung der Grundidee des Instruments zu einer Alarmanlage für das berüchtigte Gefängnis Alcatraz im Auftrag des FBI und später zu Abhörwanzen für den KGB.
Bevor die dunklen Seiten seiner Erfindungen Leon Theremin einholten, entwickelte er unter anderem mithilfe der ersten Virtuosin auf dem Instrument – Clara Rockmore – das Theremin musikalisch und technisch weiter. Dazu zählte auch das Terpsiton, das sie in den 1930er-Jahren in New York konstruierten und mit Tänzer*innen testeten. Das Terpsiton ist ein Ganzkörper-Theremin; es wird nicht mehr allein durch die Bewegung der Hände, sondern mit dem ganzen schwingenden Körper gespielt. Dabei können nur mit einer zweiten Person Klangfarbe und Lautstärke reguliert werden.
Das Terpsiton geriet in Vergessenheit, nachdem Leon Theremin keine Tänzer*innen finden konnte, die das Instrument tatsächlich zu spielen vermochten. Es gelang nicht, reproduzierbar harmonische, temperierte Töne hervorzubringen, so schwierig war es, musikalisches Gehör und tänzerische Bewegung in Einklang zu bringen.
Anna Jermolaewa rekonstruiert das Terpsiton in Form einer Bühne mitten im Wald neben dem Komponierhäuschen. Besucher*innen und Wander*innen sind eingeladen, mit den Bewegungen ihrer Körper Töne zu erzeugen und Musik zu „komponieren“.
Am 8. Juli 2023 ist die Bühne im Wald auch Austragungsort der Performance von Pamelia Stickney, einer der renommiertesten Thereminspielerinnen unserer Zeit. Bei ihrem Soloauftritt mit dem Titel Medium: Theremin Orchestra verwebt die Musikerin Komposition und Improvisation unter Verwendung von Live-Loops, in denen sie mehrere Schichten monophoner Stimmen aufbaut und langsam transformiert. Die von ihr geschaffenen Fragmente reichen von schönen, fast vorbarocken Melodielinien bis hin zu abstrakten, verzerrten Geräuschblöcken voller Dissonanzen und polyrhythmischer Komponenten. Als große Verehrerin Mahlers und wissend, dass im Komponierhäuschen viele Kompositionen entstanden sind, bei denen nur das Ergebnis vorliegt, nicht aber der Weg dorthin, möchte Pamelia Stickney in ihrer für das Mahler Forum entwickelten Performance die aufregende Reise des Kompositionsprozesses mit dem Publikum teilen.
Technische Entwicklung: Chris Janka
Technische Programmierung: Chris Veigl
Holz, Licht, Theremin, Antenne, Lautsprecher, Batterie, Solarzelle
Durchmesser: 2 Meter, Höhe: 40 Zentimeter
Die Besucher*innen des Komponierhäuschens und alle Passant*innen sind eingeladen, Lampenfieber von Anna Jermolaewa von Juli bis Oktober 2023 zum Klingen zu bringen.
Als Partner des Mahler Forums zeigt das → kärnten.museum von Juli bis Oktober 2023 die Videoinstallation Singing Revolution von Anna Jermolaewa täglich um 17 Uhr in der center.stage.
kuratiert von Felicitas Thun-Hohenstein und section.a
https://www.mahler-forum.org/de
Geb. 1970 in Leningrad / St. Petersburg, lebt und arbeitet seit 1989 in Wien und Oberösterreich. Als Mitbegründerin der ersten Oppositionspartei und Mitherausgeberin einer regierungskritischen Zeitung floh sie aus der Sowjetunion und erhielt in Österreich politisches Asyl. Sie studierte in den 1990er Jahren Kunstgeschichte an der Universität Wien und Malerei & Neue Medien bei Peter Kogler an der Akademie der bildenden Künste, Wien.
Seit 2019 ist sie Professorin für Experimentelle Gestaltung an der Linzer Kunstuniversität. Von 2016 bis 2017 war sie als Gastprofessorin für Kunst in zeitgenössischen Kontexten an der Kunsthochschule Kassel tätig, von 2006 bis 2011 als Professorin für Medienkunst am Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe.
http://www.jermolaewa.com