Kunst im öffentlichen Raum

KUNST MUSS.

Unlängst wurde ich eingeladen, eines meiner Kunst-im-öffentlichen-Raum-Projekte am Institut für Raumgestaltung der TU Wien vorzustellen – es handelte sich um die Arbeit „REVUE“ auf dem Wiener Fritz-Grünbaum-Platz aus dem Jahr 2010.

„REVUE“ war eine raumgreifende Installation auf jenem Platz, der nach einem der wichtigsten Kabarettisten und Theatermacher der Zwischenkriegszeit benannt ist. Grünbaum wurde von den Nationalsozialisten inhaftiert und in Dachau ermordet. Die Installation war die hölzerne Nachbildung bzw. Spiegelung der diesem Platz gegenüberliegenden breiten Steintreppe, die in einen Park führt, in dem ein Flakturm steht. Die hölzerne Treppe wurde zu einer Tribüne, die Stadt somit zum Bühnenraum, und zum Bühnenbildhintergrund wurde der Flakturm. Er trägt die einzige Hausnummer an diesem Platz – Fritz-Grünbaum-Platz 1 – und wurde vom selben Regime erbaut, das den Kabarettisten auf dem Gewissen hat.

Beim anschließenden Gespräch mit den Studierenden, die als Semesterarbeit ein Bauwerk an ebendiesem Platz zu planen hatten, ging es dann von ihnen aus eher um formale Überlegungen. Politischen Übungen, historischen Hintergründen, sozialen Möglichkeiten, poetischen Anklängen oder ironischem Blinzeln wurde weniger Bedeutung beigemessen. Das war in deren Planungsstadium auch gar nicht notwendig, aber mir ist dabei etwas klar geworden: Ganz sicher gab und gibt es Architektur, die das tut, die sich um diese Ebenen kümmert, und zwar auf das Bravouröseste – aber sie muss nicht.
Kunst muss.
Finde ich. Weil sie frei ist, muss sie.

Und was für Kunst gilt, kommt mir vor, gilt für Kunst im öffentlichen Raum noch viel mehr. Weil die Schwelle niedriger ist, ja beinahe fehlt. Weil sie näher an die Betrachter_innen kommt – an die User, könnte man fast sagen.
Wenn bildende visuelle Kunst die Schutzhülle Ausstellungshalle verlässt und im Öffentlichen auftaucht, wird sie automatisch zu so etwas wie einer „sozial angewandten“ Kunst. Sie kommt auf die Rezipient_innen zu. Das ist keine „Kunst“-Kunst im „Schutzraum“ mehr, sondern eine Kunst für „alle“, eine Kunst für die Benutzer_innen.

 

Wendelin Pressl
Künstler

Essays