Bist du verantwortlich?
Zur Institutionalisierung von Kunst im öffentlichen Raum
Öffentlichkeit, öffentlicher Raum und Kunst im öffentlichen Raum sind Begriffe, die immer wieder neu zu hinterfragen, zu differenzieren und auszuloten sind.
Öffentlichkeit als „Bereich des gesellschaftlichen Lebens, in dem Menschen zusammenkommen, um Probleme zu besprechen, die in politischen Prozessen gelöst werden sollen“[1], ist ein frei zugänglicher Raum, aber auch „die Gesamtheit der potentiell an einem Geschehen teilnehmenden Personen“[2], wobei Öffentlichkeit von möglichst vielen Ereignissen ein demokratisches und damit von jedem/jeder Einzelnen zu verantwortendes Prinzip darstellt. Egal ob man der Vorstellung von ziviler Tugend bei Hannah Arendt, der Konzeption eines öffentlichen Dialogs bei Bruce Ackerman oder der Vorstellung von diskursivem öffentlichem Raum bei Jürgen Habermas folgt, immer bleibt klar, „welche anderen Anwendungsmöglichkeiten und Bedeutungsnuancen die Begriffe ‚öffentlich‘, ‚öffentlicher Raum‘, ‚res publica‘ auch haben mögen, sie verlieren niemals ihre Verwurzelung im Bereich des politischen Lebens“[3] und damit unserem Verantwortungsbereich.
In politischen Verhältnissen wird Öffentlichkeit ebenso wie öffentlicher Raum frei gelebt oder Restriktionen unterworfen, Meinungs-, Bewegungs- und Verhaltensfreiheit in der Öffentlichkeit gefördert oder unterdrückt, tatsächlich offen gelebt oder eingeschränkt verhandelt.
Genau dort positioniert sich Kunst im öffentlichen Raum. Wesentlich dabei erscheint die Auseinandersetzung mit gesellschaftspolitischen, ökonomischen, ökologischen, klimatologischen, technischen, ästhetischen oder historischen Positionen, die angesprochen und der Öffentlichkeit als diskursiver Ansatz zur Verfügung gestellt oder gemeinsam in partizipativen Prozessen erarbeitet werden. Die Ermöglichung, Unterstützung und Förderung von Kunst im öffentlichen Raum kann dabei als Seismograf politischer Verhältnismäßigkeiten gesehen werden und zeugt vom kulturellen Selbstverständnis einer Stadt oder eines Landes.
Das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher gesellschaftlicher Schichten und von Kulturen in permanenter Auseinandersetzung ist ein Spannungsfeld, dessen wir uns bewusst sein und mit dem wir umgehen müssen. Gentrifizierung, die Abwanderung in Großstädte und das Verwaisen ländlicher Regionen spielen innerhalb der Kunst im öffentlichen Raum ebenso große Rollen wie kontrollierte Überwachungsmechanismen, die unseren Freiheitsbegriff und Handlungsspielraum sukzessive einzuschränken scheinen, und das mediale Schüren von Ängsten, gerne vorangetrieben von der politischen Rechten, das zur Anhebung des Militär- und Senkung des Bildungsbudgets führt. In einer vermeintlichen Gleichsetzung von Sicherheit und Überwachung wird Unsicherheitsgefühl suggeriert. Ein damit einhergehendes Gefühl der Machtlosigkeit führt dazu, dass Eigen- und Fremdverantwortlichkeit immer mehr abgegeben werden. Dies sind Themen, die nicht nur die Kunst, sondern uns alle ebenso betreffen wie Grenzen, Mauerbauten, Migration, die Verselbstständigung digitaler Medien oder die Einbeziehung von Jugendlichen in eine verantwortungsvolle Gesellschaft.
So wie jede Person als ethisches Wesen der Allgemeinheit gegenüber verantwortlich ist, gelten auch für Kunst im öffentlichen Raum Wachheit, Sensibilität für Themen der Gegenwart und entsprechende Reflexion als Parameter für eine offene Gesellschaft.
Elisabeth Fiedler
KÖR Steiermark
Referenzen
- [1] https://de.wikipedia.org/wiki/öffentlichkeit.
- [2] Ebd.
- [3] Seyla Benhabib, „Modelle des öffentlichen Raums: Hannah Ahrendt, die liberale Tradition und Jürgen Habermas“, in: Soziale Welt, 42. Jg., Heft 2, 1991, S. 147.