Im Rahmen der Ausstellung I am the grass. Let me work | In Kooperation mit ERINNERUNGS Jahr 2025 LETO SPOMINJANJA
Durchlässigkeit kennzeichnet die künstlerische Praxis von Julius Pristauz: Installationen und architektonische Settings, die performativ angelegt sind oder Performances, in denen Objekte, Skulpturen, ja ganze Räume zu Mit-Akteur:innen werden; vorgefundene Gegenstände, die vom Zwang feststehender Nutzungsweisen befreit sind und gleichzeitig das Potenzial zum Werkzeug haben; membranartige Oberflächen, die sowohl durchscheinend sind als auch den Blick auf das Dahinter verschleiern; Fragen nach einer queeren Subjektivität, ohne sich dabei von gesellschaftlichen, politischen oder kulturellen Kategorien vereinnahmen zu lassen; Autobiografisches mit dem Anspruch, über die eigenen Grenzen hinaus, auf ein kollektives Handeln, zu verweisen; gegenwärtige Popkultur im Wissen um historische Zusammenhänge.
In forever more (structural blur) bringt Julius Pristauz all diese Mittel zum Einsatz, um im öffentlichen Raum auf die weit zurückreichende und immer noch anhaltende Diskriminierung und Verfolgung von Menschen hinzuweisen. Weil sie schwul, lesbisch oder trans sind, weil sie sowohl Männer als auch Frauen begehren, oder weil sie aus anderen Gründen nicht in eine normative Weltvorstellung passen. Pristauz widmet all diesen Menschen, die nicht den gängigen Konventionen entsprechend leben und/oder lieben (wollen) im Lakeside Science & Technology Park ein Denkmal. Ein geringfügig veränderter Beleuchtungskörper wird zum Zeichen, zur Skulptur. Als solche ist sie, zwischen Technologiepark und Universität Klagenfurt situiert, untertags unauffällig. Die Leuchte ist auf den ersten Blick kaum von den anderen Leuchten zu unterscheiden. Sie nimmt den für sie vorgesehenen Platz ein. Sie erfüllt ihren Zweck. Nur bei genauerem Hinsehen lässt sich hinter dem Milchglas der säulenförmigen Lampe ein Farbspektrum erkennen – als sanfter Schein, als Andeutung, als eine Möglichkeit unter vielen. „Im Gegensatz zu einer Möglichkeit, einer Sache, die einfach passieren könnte, ist eine Potenzialität eine bestimmte Art des Nicht-Seins, die bevorsteht“, schreibt der Kulturwissenschafter José Esteban Muñoz in Cruising Utopia über das Besondere an queeren Alternativökonomien, die sich außerhalb normativer Lebensvorstellungen bewegen, „eine Sache, die gegenwärtig ist, aber nicht tatsächlich in der Gegenwart existiert“.
Erst bei Dunkelheit entfaltet das Denkmal sein volles Potenzial. Aus der Reihe tanzend, verhält es sich wie eine Störung, die das System und die Struktur, in denen sie auftritt, zum Vorschein bringt. Die nächtliche Störung „erzeugt Einrisse zwischen dem Wiedererkannten und Wiedererkennbaren, verstärkt sich an diesen Rissen und dehnt sie zu fantastischen Möglichkeitsszenarien aus“, wie Legacy Russell den technologischen Glitch als gesellschaftliches Phänomen begreift: „Möglichkeiten, uns selbst anzuerkennen und zu verwirklichen, uns spiegelnd, um einander wirklich zu sehen, während wir uns bewegen und modifizieren.“ Die etwas im Abseits, in einer Übergangszone positionierte Lampe ist anders als ihre Nachbar*innen und dennoch erfüllt sie ihren Zweck, den Weg zu weisen. Im Vertrauen darauf, dass Licht die Zeit*** überdauert, setzt Julius Pristauz mit der Intervention forever more (structural blur) im bestehenden Umfeld des Wissenschafts- und Technologieparks ein kräftiges Signal für Gleichberechtigung und Diversität. Pristauz tut dies in einer Zeit, in der weltweit hart erkämpfte Rechte drohen, von der Politik wieder beschnitten und eingeschränkt zu werden. Licht, das im Dunkeln zur Orientierung dient, das ein ganzes Spektrum entfalten kann, sich in Wellen ausbreitet und transluzente Stoffe und Körper zu durchdringen vermag, performt hier wofür es steht: Strahlende Durchlässigkeit, die überdauert.