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Kunst im öffentlichen Raum aus urbanistischer Perspektive

Öffentliche Räume stehen unter Druck. Im Kontext einer neoliberalen Stadtentwicklungspolitik werden sie gewinnbringend kommerzialisiert, festivalisiert und privatisiert. Bahnhöfe, Straßen und Plätze werden als Teile eines Sicherheitstheaters verstärkt überwacht, demokratische Rechte wie das Versammlungsrecht werden regelmäßig eingeschränkt.

Autorin

  • Elina Kränzle

    TU Wien, Urbanismus

Im Spannungsfeld von sozial ungleichen und diversifizierten Stadtgesellschaften fehlt in der neoliberalen Stadt eine Geografie der Öffentlichkeit, in der Unterschiede erfahren, Meinungen geäußert und Konflikte ausgetragen werden können. Auch Kunst im öffentlichen Raum wird in der Stadtentwicklung verwertet: Sie ist integraler Bestandteil von gewinnbringenden Projekten der Stadterneuerung und der Aufwertung von Stadtteilen, die vielfach in Gentrifizierung und damit in der Verdrängung ökonomisch schwächerer Bewohner:innen resultieren, statt deren Lebensbedingungen zu verbessern und zugleich die Quartiere in ihren sozialen Strukturen zu stärken.

Doch es regt sich Widerstand gegen die profitgeleitete Entwicklung öffentlicher Räume: Temporär eroberten politische Bewegungen (wie z. B. Indignados, Occupy Wall Street oder Gezi-Park) öffentliche Räume im Protest gegen neoliberale (Stadtentwicklungs-)Politik zurück. Langfristig entstand seit der Besetzung einer Baustelle im Jahr 2010 mit dem Plaza de la Cebada einer der belebtesten Räume sozialen und kulturellen Austauschs Madrids, der von den Bewohner:innen des Barrios in Vollversammlungen selbst verwaltet und gestaltet wird. In Kollaboration mit Künstler:innen, lokalen Initiativen und Stadtbewohner:innen entwickelte das Center for Urban Pedagogy (CUP) in New York mehrsprachige Broschüren, um Straßenverkäufer:innen über ihre Rechte in der Nutzung öffentlicher Räume aufzuklären. Die Urban School Ruhr, eine emanzipatorische Lernplattform an der Schnittstelle von Stadtforschung und künstlerischer Praxis, erkundet gemeinsam mit Stadtbewohner:innen Möglichkeiten einer kulturellen und sozialen Raumproduktion im Ruhrgebiet.

Als Gegenmodell zu wachstumsorientierten Stadtentwicklungsstrategien schaffen neue künstlerisch-urbanistische Praktiken so relationale Räume, die durch zwischenmenschliche Interaktionen und soziale Beziehungen im städtebaulich gestalteten Raum entstehen. Diese und viele andere Projekte zeigen, wie Kunst im öffentlichen Raum emanzipatorisch-performativ die Regeln und Normen des Zusammenlebens vielfältiger und ungleicher Stadtgesellschaften kritisch hinterfragt, in Unordnung bringt und Anstöße zur Neuordnung gibt. Kunst im öffentlichen Raum verräumlicht Öffentlichkeit und re-politisiert dadurch unser Verständnis öffentlicher Belange.

Referenzen

  • Setha Low, Neil Smith (Hg.). 2006. The Politics of Public Space. New York, Routledge.
  • Malcolm Miles. 1997. Art, Space and the City. Public Art and Urban Futures. Oxon, Routledge.
  • Chiara Tornaghi, Sabine Knierbein (Hg.). 2015. Public Space and Relational Perspectives. New Challenges for Architecture and Planning. Oxon, Routledge.